Info-Haselünne   Die Hansestadt im Herzen des Emsland 

Extrablatt
Info-Haselünne

Zum Geschehen zwischen 1943,
unserem Einschulungsjahr und 1952,
der Schulentlassung

Die Anmeldungen für die Einschulung erfolgten im August 1943. Eingeschult wurde damals im Herbst - dadurch auch die Jahrgänge 1936/1937.

Rektor unserer Schule: Herr Bröker

Unsere Lehrerin: Fräulein Pleus und Fräulein Berchegger

Das Jahr 1943 stand ganz und gar im Zeichen des 2. Weltkrieges. Immer mehr Nachrichten über Gefallene und Schwerverwundete trafen ein. Alle besonderen Ereignisse standen im Zusammenhang mit dem Krieg.  Tanzveranstaltungen und dergleichen Lustbarkeiten waren verboten. Nur das Kino im Saal Esders war noch geöffnet. Die Filmveranstaltungen wurden häufig durch Fliegeralarm unterbrochen.

Lebensmittel, Bekleidung und auch Gebrauchsgüter wie z. B. Möbel, Fahrradreifen usw. waren bewirtschaftet, d. h. sie wurden auf Lebensmittelkarten, Kleiderkarten oder "Bezugsschein" abgegeben.

30.01.1943: Die in Stalingrad eingeschlossene deutsche 6. Armee mußte nach riesigen Verlusten kapitulieren. Diese Katastrophe bedeutete die Wende des 2. Weltkrieges. Immer deutlicher wurde die absolute Überlegenheit der alliierten Streitkräfte. Auch in Haselünne war das deutlich zu spüren. Schon am 16.12.1942 waren die ersten Wohnhäuser durch Brandbomben zerstört und mehrere Häuser beschädigt worden.

Frühjahr 1943: In Haselünne.wurden mehrere Bunker als Luftschutzräume - bei Erpenbeck, Rosche, Schulte-Übermühlen, zwei an der Bödikerstraße, auf dem Schulhof und beim Kloster -  ausgebaut. Haselünne wurde, besonders in den Nächten, immer häufiger von alliierten Kampfverbänden überflogen, die deutsche Städte bombadierten. Ganz schlimm wurde es ab Juli 1943. Haselünne wurde nicht nur nachts, sondern auch während des Tages von Bombengeschwadern überflogen.

31.07.1943: Die Luft war bis uns mit starken Rauch- und Staubwolken vom brennenden Hamburg gefüllt, das an diesem Tag stark zerstört wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurden wir gerade  eingeschult.

22.12.1943: Über dem Emsland fand ein heftiger Luftkampf statt. Rund um Haselünne fielen 80 Bomben, einige Häuser am Rande der Stadt und in der Stadtmark wurden beschädigt.

11.01.1944: Bombadierung der Stadt Meppen - 31 Tote.

Januar 1944: Auf den Kleiderkarten und Bezugsscheine gab es kaum noch Waren.

Juli 1944: Man erhielt z. B. auf Lebensmittelkarten für 4 Wochen je erwachsene Person 500 g Butter, 1000 g Fleisch

Die Fliegeralarme häuften sich. Am Karsamstag, dem 08.04.1944 bis zum 16.04.1944 jeden Tag und jede Nacht Alarm.

April 1944: Im Neuen Grund wurde ein leerer Benzintank abgeworfen. Kinder spielten mit Streichhölzern dadurch explodierte der Tank. Zwei Kinder wurden schwer und zwei leicht verletzt. (Ihr wißt, diese Kinder gehörten zum Teil in unsere Klasse. Franz Stüwe mußte wegen seiner erlittenen Verletzung mit dem Handwagen zum Kommunionsunterricht gebracht werden).

Der Schulunterricht wurde durch den ständigen Fliegeralarm stark in Mitleidenschaft gezogen.

04.05.1944: Angriff der Bahnanlagen in Haselünne durch Tiefflieger - 2 Tote (Frau Ströer und Herr Lohe).

30.05.1944: Erneuter Luftangriff auf die Bahnanlagen.

26.06.1944: Der Himmel verdüsterte sich. Von Osten her zogen starke Rauchwolken über uns hinweg - die Ölanlagen in Hamburg und Hannover wurden durch Bomben zerstört worden.

20.07.1944: Das Attentat auf Adolf Hitler mißlang. Der größte Teil der Bevölkerung in Haselünne bedauerte dies. Man hütete sich jedoch, darüber zu reden, da man befürchten mußte, im KZ zu landen.

22.07.1944: Es fielen wieder einmal 18 Bomben im Haselünner Raum, allerdings auf freies Gelände.

September 1944: Die Westfront näherte sich der deutschen Grenze. Es ging das Gerücht um, daß unser Gebiet von der Bevölkerung geräumt werden sollte. Viele Bürger packten Kleidung, Wäsche und Wertgegenstände in Kisten und schafften sie in die Landgemeinden oder vergruben auch Wertsachen.

18.09.1944: Der Unterricht wurde in den Schulen für einige Wochen geschlossen Vorverlegung der Herbstferien. In Haselünne belegte das deutsche Militär das RAD-Lager, die Turnhalle, das Schützenhaus, den Saal Brand und auch die RAD-Läger in Westerloh und Flechum.

24.10.1944: Es trafen die ersten Evakuiertentransporte aus der stark zerstörten Stadt Köln in Haselünne ein. Die Menschen wurden in der Stadt und in den umliegenden Dörfern  untergebracht. Immer wieder fanden auch über unserem Raum Luftkämpfe statt.

26.11.1944: Absturz drei deutscher Flugzeuge in unserem Raum während eines Luftkampfes. Eine Maschine landete auf dem Bramland, eine zweite in einem Garten an der Andruper Straße.

Die Versorgung sowohl der Bevölkerung als auch der Wehrmacht wurde immer schlechter.

Januar 1945: Es fand eine sogenannte "Spinnstoffsammlung" statt. Dabei hatte die Bevölkerung selbst kaum noch Vorräte.

03.02.1945: Schon um 11 Uhr Alarm. Starke Bombergeschwader überflogen die Stadt. Ein Flugzeug löste sich aus dem Verband und warf seine Bombenlast ab. Es wurden fünf Häuser an  der Neustadtstraße total zerstört, mehrere stark beschädigt. Acht Tote waren zu beklagen.

22.02.1945: Durch Tiefflieger-Bomben wurde mittags die Hasebrücke zerstört. Bei den Fliegeralarmen verließen viele Menschen die Innenstadt und flüchteten in die Hammer Tannen, ans Haseufer, zum Meppener Wall und in die Elterner Tannen.

26.02.1945: Neben der zerstörten Hasebrücke wurde ein Fährbetrieb für Personen eingerichtet.

Ca. Ende Februar 1945: Einstellung des Schulbetriebes.

17.03.1945: Ankunft von 180 Flüchtlinge in Haselünne aus dem Osten. Sie wurden in Haselünne und in den umliegenden Dörfern untergebracht.

Ende März 1945: Errichtung einer Panzersperre in der Neustadtstraße an der Hasebrücke und an der Meppener Straße. Tag und Nacht strömten aufgelöste oder versprengte deutsche Truppenteile durch die Stadt. Die Ausrüstung der Soldaten war mehr als mangelhaft, z. B. sah man sie mit Fahrrädern ohne Bereifung. Trecks Gefangener aus den Lagern westlich der Ems wurden buchstäblich durch die Stadt in Richtung Osten  getrieben. Die Menschen waren körperlich kaum noch in der Lage, sich fortzubewegen, wurden aber von den Wachmannschaften rücksichtslos vorwärts getrieben. Mehrere fielen im Bereich der Stadt und in Eltern um und starben.

03.04.1945: Erneut fielen zwei Bomben auf die Stadt. Eine davon beschädigte die Post, das Rathaus, die andere traf zwei Häuser an der Hasestraße mehrere Todesopfer, darunter ein Soldat. Die Front rückte immer näher. Genaues erfuhr man aber nicht. Immer wieder Tieffliegerangriffe. Man hörte den Donner von Geschützen.

Sonntag, 08.04.1945 (Weißer Sonntag): In den Mittagstunden begann die Beschießung der Stadt durch Geschütze der alliierten Truppen. Es fielen auch wieder Bomben auf die Stadt -  mehrere Todesopfer.

09.04.1945: Die alliierten Truppen nahmen die Stadt Haselünne ein. Ein Großteil der Bevölkerung verließ die Stadt am Sonntag und fand in der Stadtmark, im Buschfeld und in den umliegenden Dörfern bei Verwandten und Bekannten Unterschlupf.

In Haselünne wurden 12 Häuser total zerstört, 23 sehr stark beschädigt, 190 leicht beschädigt. Die Wohnungsnot war groß, einmal infolge der Schäden und zum anderen durch die  Notwendigkeit, viele Evakuierte und Flüchtlinge aufzunehmen.

Am 12.05.1945 war endlich der Krieg beendet.

 

Die Nachkriegszeit

20.05.1945: Verlegung einer polnischen Division in das Emsland. Auch Haselünne erhielt polnische Besatzung. Das Krankenhaus beschlagnahmte man als Lazarett, ebenfalls eine Reihe von Wohnhäusern, das Kloster  und die Volksschule.

01.06.1945: Der Betrieb der Meppen-Haselünner Eisenbahn wurde in beschränktem Maß wieder aufgenommen, einige Tage später auch die Stromversorgung.

03.06.1945: Kommunion.

September 1945: Wiederaufnahme des Schulbetriebs. Der Unterricht fand zunächst provisorisch im Kloster statt.

09.10.1945: Die "Aktion Storch" schickte 51 Kinder und 9 Erwachsene aus Berlin nach Haselünne zur Erholung.

05.11.1945: In der Mittelschule begann der Unterricht in einem Raum der Brennerei Berentzen. Die St. Ursula-Schule richtete im November 1945 einen behelfsmäßigen Förderunterricht ein.

Die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung war miserabel. Zuteilungen für 4 Wochen:
450 g Fleisch, 185 g Butter, 185 g Margarine, 375 g Zucker, 1 kg Nährmittel , 5 kg Brot,  1/4 1 Magermilch, 300 g Wurst, 62 g Quark
Gut, daß die meisten Haselünner Bürger einen Garten oder ein kleines Ackerstück hatten.

Februar 1946: Hochwasserkatastrophe. Große Teile standen in Lingen, Meppen und auch Haselünne unter Wasser.

Ostern 1946: Die Schule konnte mit fünf Klassen neu eröffnet werden.

05.07.1946: Firmung.

26.07.1947: Zur großen Freude der Haselünner kamen die im Juni 1942 zum Einschmelzen für Geschütze abtransportierten Kirchenglocken nach Haselünne zurück. Sie befanden sich auf  dem Glockenfriedhof in Hamburg, wo etwa noch 10 000 Glocken lagerten. Auch die alte Klosterkirchenglocke von 1483 wurde dort gefunden.

15.09.1946: Die ersten Kommunalwahlen fanden statt. Dr. Johannes Rowold wurde zum Bürgermeister gewählt.

1946 bis 1947: Ein ungewöhnlich kalter Winter. Die Hase war zugefroren.Wir hatten Schulunterricht im sogenannten "Braunen-Haus" (heute Kaufhaus Hoppe). Die  Jungs mußten immer den Ofen heizen, er qualmte fürchterlich.

1947 bis 1948: große Hamsterzeit
Die Devise hieß nicht "mit Speck fängt man Mäuse", sondern: ein Herrenanzug fÜr 15 Pfd. Speck. Ein Wollkleid war für 5 - 7 Pfd. Speck zu haben. FÜr 50 Zigaretten mußten 3 Pfd. Speck hingelegt werden.

Für 1 1/2 Zentner Roggen gab es 18 Zentner Kohlen. Aber nicht alle hatten Speck, so ging es ab ins Moor zum Torfringen. Dazu fällt mir ein: Ab Meppen fuhren wir ja mit der  Torfbahn. Anni Deters hatte einen Schuh verloren. Martin Strotkötter sprang von der Torfbahn ab und holte ihr den Schuh.

Südfrüchte wie Bananen und Apfelsinen hatten wir nie gesehen. Ich kann mich erinnern, daß Lehrer Nikel uns beim Lesestück erklärte, was eine Apfelsine ist.

Im Herbst mußten wir Kartoffeln sammeln, beim Bauern oder bei Berentzen-Sautmannshausen, Heyths-Buschfeld,Berentzen-Johanneshof.

Oktober 1947: Auflösung der polnischen Besatzung. Es erfolgte die Freigabe der Volkschule und im November 1947 auch die der Turnhalle. Nach einer geringfügigen Renovierung, Farben und dergleichen waren nicht zu bekommen, wurde der Unterricht wieder voll aufgenommen.

Anfang Februar 1948: In den Schulen lief die "Schulspeisung" aus amerikanischen Lebensmittelzuwendungen an.

20.06.1948: Neubeginn und Wiederaufbau durch die Währungsreform.

Ab Ostern 1949 hatten wir in der Volksschule zwei Kurzjahre. Dies löste man dadurch, daß man zwei Klassen zusammenlegte, aber Mädchen und Jungen trennte (5./6. und 7./8.).

Unsere Wege trennten sich zwangsläufig und so endet hier auch meine Chronik.

 

Rita Riedel

 

Ein Extrablatt persönlicher Art:

die
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